Für meinem Beitrag „Eine Trennung von Staat und Religion ist nicht neutral“ habe ich viel Zuspruch erfahren, aber auch Kritik. Kritisiert haben mich Laizisten, Säkularisten und Nichtreligiöse (wobei viele Nichtreligiöse meine Positionen unterstützen). Die Vehemenz der Kritik aus nichtreligiösen Kreisen überrascht mich, sieht sich die Offene Religionspolitik doch gerade auch als Anwalt der Nichtreligiösen, die in der deutschen Religionspolitik keinen leichten Stand haben und häufig genug als Verfügungsmasse für eine Rückgewinnung durch die beiden großen Kirchen angesehen werden.
Das Eintreten für Nichtreligiöse hat mir in der Vergangenheit verschiedentlich gar den Vorwurf eingebracht, ich sei ‚religionskritisch‘. Offene Religionspolitik zielt nicht darauf, den Staat von jeder Religion zu befreien, sehr wohl aber darauf, dass Nichtreligiöse gemäß ihren Überzeugungen leben können. Was das konkret bedeuten kann, möchte ich im Folgenden stichpunktartig ausführen (dabei spreche ich sicher nicht für alle Mitglieder von FOR):
- Nichtreligiöse müssen als eigenständige und wertetragende Gruppe anerkannt werden.
- Blasphemie und Gotteslästerung müssen als Ausdruck eines nichtreligiösen Bekenntnisses straffrei sein.
- Religiöse Symbole dürfen nicht durch den Staat in Schulen angebracht werden (wie das Kruzifix in Bayern).
- Konkordate und Staatskirchenverträge dürfen nicht ohne Möglichkeit der Kündigung oder Ablaufdatum geschlossen werden.
- Die historischen Staatsleistungen müssen gemäß dem Auftrag des Grundgesetzes abgelöst werden.
- Eide müssen so formuliert werden, dass ein Gottesbezug hinzugefügt oder weggelassen werden kann (ohne eine der beiden Varianten vorzugeben).
- Die Stillen Tagen (wie das Tanzverbot am Karfreitag) sind abzuschaffen.
- Konkordatslehrstühle gehören abgeschafft.
- Religiöse Erziehungsziele in Landesverfassungen und Schulgesetzen („in Ehrfurcht vor Gott“) sind zu streichen.
- Die Zivilehe darf nicht allein religiösen Vorstellungen genügen und muss für Schwule und Lesben geöffnet werden.
- Religionsunterricht darf nur in einem Wahlpflichtbereich oder wahlfrei angeboten werden. Eine automatische Zuordnung aufgrund des Bekenntnisses soll nicht erfolgen.
- Der Ethikunterricht muss als vollwertige Alternative zum Religionsunterricht in allen Jahrgängen ab der 1. Klasse angeboten und entsprechend ausgestattet werden.
- Weltanschauungsunterricht (bspw. humanistische Lebenskunde) muss an allen Schulen eingerichtet werden, wo es ein entsprechendes Angebot (durch den HVD u.a.) sowie eine Nachfrage gibt, gleichberechtigt zum Religionsunterricht.
- Analog zu den kirchlichen Theologien sind humanistische Lehrstühle an staatlichen Universitäten einzurichten, um u.a. Weltanschauungslehrer auszubilden.
- Staatliche Schulen dürfen keine Bekenntnisschulen sein.
- Humanistische Einrichtungen in Bildung und Wohlfahrt (Schulen, KiTas, Krankenhäuser, Seniorenheime usw.) sind gleichberechtigt zu kirchlichen Einrichtungen zuzulassen und zu fördern.
- Lokale religiöse Monopole in Bildung und Wohlfahrt müssen verhindert und durch andere Angebote aufgehoben werden.
- Sendezeiten für Religionsgemeinschaften im öffentlichen Rundfunk sind zu streichen.
- Der öffentliche Rundfunk hat keine besondere Rücksicht auf religiöse Befindlichkeiten zu nehmen.
- Humanistische Seelsorger müssen bei der Bundeswehr, in der Polizei- und Gefangenenseelsorge gleichberechtigt zu den religiösen Angeboten zugelassen und gefördert werden.
- Für den Kirchenaustritt darf keine Gebühr erhoben werden.
- Die neuen Staatsleistungen für den Humanistischen Verband und andere Weltanschauungsverbände sollen erhalten bleiben (und den gleichen Regeln unterliegen wie Leistungen an Religionsgemeinschaften).
- Der Humanistische Verband und seine Landesverbände müssen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden, sofern diese es wünschen.
- Das Nudelsieb der Pastafaris muss in offiziellen Dokumenten zulässig sein (und auch alle anderen Kopfbedeckungen, die eine problemlose Identifikation nicht verhindern).
Humanisten, Atheisten, Laizisten sind keine homogene Gruppe. Daher werden die einzelnen Punkte ganz sicher unterschiedlich bewertet. Aber: Offene Religionspolitik hat auch diesen Menschen viel zu bieten. Denn der Status quo, die Bevorzung der beiden großen Kirchen, ist für sie vielfach nicht zufriedenstellend.