Warum Vielfalt ein Gewinn für jede Gesellschaft ist

    von Sven W. Speer

    Ich weiß nicht, warum Menschen verschieden sind. Was ich aber weiß, ist, dass freie Gesellschaften mit der Zeit immer pluralistisch werden – nur mit Gewalt lassen sich Menschen gleich machen. Entweder sind die Menschen von Natur aus verschieden in ihren Fähigkeiten und Wünschen, oder die Menschen wünschen sich von Natur aus, unterschiedlich zu sein. Was auch immer die Ursache von Vielfalt ist: Vielfalt ist heute eine Realität in vielen Gesellschaften, und damit müssen wir umgehen. Der Umgang mit Vielfalt ist indes weniger problematisch als häufig angenommen. Vielfalt ist für eine Gesellschaft ein Gewinn und keine Bedrohung. In der öffentlichen Darstellung geht das häufig unter, da sich die Menschen mehr für die Ausnahme als für die Regel interessieren. Auch das ist vielleicht ein Ausdruck des Hangs der Menschen zu Vielfalt.

    Warum ist Vielfalt ein Gewinn für jede Gesellschaft?

    1. Vielfalt begründet jede Gesellschaft

    Vielfalt ist das Fundament jeder menschlichen Gesellschaft und Gemeinschaft. Wären wir alle identisch in jedem Aspekt, dann gäbe es keine Notwendigkeit für die Individuen, miteinander in Austauschbeziehungen zu treten. Nur weil wir unterschiedlich sind, lohnt sich die Interaktion. In einer Gesellschaft vollkommen gleicher Menschen könnte jeder sein Leben bestens auf sich allein gestellt leben – denn nichts, was andere dazu beitragen könnten, könnte er nicht auch genauso gut selbst beisteuern.

    2. Vielfalt erhöht die Wahlfreiheit in jeder Gesellschaft

    Menschen mit anderen Lebensstilen können uns anregen, unser eigenes Leben zu überdenken. Sie zeigen Wege auf, die uns bislang verschlossen waren. Je mehr unterschiedliche Gruppen es in einer Gesellschaft gibt, desto mehr Wege hat der Einzelne zur Auswahl, um sein Leben nach seinen Vorstellungen zu leben. In einer Gesellschaft, in der alle gleich sind, fällt es hingegen schwer von der Norm abzuweichen, weil es keine anderen Perspektiven gibt.

    3. Vielfalt sichert Freiheit

    Vielfalt hilft, Freiheit zu sichern. Wenn keine Gruppe in der Gesellschaft eine Mehrheit für sich beanspruchen kann, wird es schwierig, anderen Menschen Vorstellungen des guten Lebens aufzuzwingen. In einer Gesellschaft, die sich aus Minderheiten konstituiert, wird den Menschen deutlich, dass nur Freiheit sie davor schützt, von anderen fremdbestimmt zu werden. Es ist leichter, tolerant zu sein, wenn man selbst darauf angewiesen ist, toleriert zu werden.

    Heute, am 11. Juni 2013, ist der  erste Deutsche Diversity Tag. Vereine, Unternehmen und Menschen in ganz Deutschland engagieren sich an diesem Tag in besonderer Weise für Vielfalt in Deutschland (http://www.charta-der-vielfalt.de/diversity-tag.html). Für mehr Akzeptanz für Vielfalt zu werben, ist ein wichtiges Anliegen auch des Forum Offene Religionspolitik.

    Mir ist an diesem Tag vor allem eins wichtig: Vielfalt ist nichts Neues. Von Vielfalt profitiert die Menschheit seit ihrem Bestehen. Das Bewusstsein dafür ist indes dort verloren gegangen, wo Utopien der Gleichmacherei die Deutungshoheit gewonnen haben. Lassen Sie uns ins Bewusstsein rufen, dass Vielfältigkeit das Selbstverständlichste in der Menschheitsgeschichte ist – und eine der besten Eigenschaften, die uns als Menschen auszeichnet.

    Dr. Sven Speer
    Dr. Sven Speer ist Vorsitzender des Forums Offene Religionspolitik (FOR) seit dessen Gründung 2011. Als Mitarbeiter und im Rahmen von Vorträgen und Gutachten berät er Regierungsorganisationen, Abgeordnete, Religionsgemeinschaften und Verbände zum Verhältnis von Staat und Religion – u.a. in Berlin, Jerusalem, Beirut, Kairo, Washington D.C., Houston und Salt Lake City. Er ist darüber hinaus Co-Founder von inteero, einer Plattform für Online-Einrichtungsberatung. Speer hat Politikwissenschaft und Geschichte studiert und am Exzellenzcluster ‚Religion und Politik‘, am German Marshall Fund of the United States und am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien zur politischen Regulierung von Religion geforscht.