Anlässlich der anstehenden Osterfeiertage sind die Tanzverbote wieder in die öffentliche Diskussion gerückt. Lars Alt, Mitglied des Forums Offene Religionspolitik, sagt: Ein gläubiger Christ soll den Karfreitag demütig und besinnlich begehen können. Dies soll Nichtchristen jedoch nicht in ihrer Tagesgestaltung beeinträchtigen.
Man kann nicht andächtig beten und sich besinnen, wenn nebenan die Party steigt, argumentiert Sonja Völker, Redakteurin dieses Blogs. Wer das Tanzverbot an hohen christlichen Feiertagen als Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen ablehnt, übersehe leicht, dass seine Abschaffung das Recht gläubiger Christen einschränke, ihre Feiertage angemessen zu begehen.
Tanzverbote als geschlossene Religionspolitik
(Lars Alt) Vielerorts gilt an den „Stillen Tagen“ von Gründonnerstag bis Karsamstag ein Tanzverbot. Dieses Verbot beschreibt eine aus religiösen, sittlichen oder traditionellen Gründen erlassene Untersagung des Tanzes während bestimmter Zeiten. Neben Tanzveranstaltungen sind auch weitere öffentliche Veranstaltungen sowie Veranstaltungen in Räumen mit Schankbetrieb davon betroffen. Ziel des Tanzverbotes ist, dass gläubige Christen die Tage vor dem Osterfest im Gedenken an die Kreuzigung Jesu in Ruhe und Demut verbringen können.
Das Anliegen der Christen, einen ihrer höchsten Feiertage angemessen begehen zu können, ist gerechtfertigt. Aber ebenso sollte auch ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland, die keiner Konfession angehört, die Möglichkeit für eine freie und offene Tagesgestaltung erhalten. Die Ausübung individueller Glaubens- und Weltansichten einer Religionsgemeinschaft darf nicht dazu führen, dass Andersdenkende in ihrer wirtschaftlichen, individuellen oder kollektiven Freiheit eingeschränkt werden.
Das Spannungsfeld, das sich zwischen den Bedürfnissen von Christen und Nichtchristen auftut, ist auch im Grundgesetz angelegt. Einerseits garantiert Art. 4 GG „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses“. Andererseits genießen staatlich anerkannte christliche Feiertage einen besonderen, verfassungsrechtlichen Schutz als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ (s. Art. 140 GG).
Ein Staat, der die Bedürfnisse aller seiner Bürger achtet, muss in diesem Interessenkonflikt jedoch als weltanschaulich neutraler Schiedsrichter vermitteln. Eine offene Religionspolitik, die sich von ideologischen Zielvorstellungen abwendet, zeichnet sich durch das Prinzip gegenseitiger Toleranz sowie der religiösen Gleichstellung im öffentlichen Raum aus. Dies ist mit einem verfassungsrechtlich legitimierten allgemeinen Tanzverbot an religiösen Feiertagen unvereinbar.
In einem Staat, der „Heimstatt aller Bürger“ sein soll, muss also die Entscheidung über die Ausgestaltung der „Stillen Tage“ beim Individuum liegen.
Tanzverbote als Respekt gegenüber Religiosität
(Sonja Völker) Ein Blick in den Kalender zeigt: Das religiös begründete Tanzverbot beschränkt sich in Deutschland auf wenige hohe christliche Feiertage. Je nach Bundesland sind zwischen zwei und acht Tagen im Jahr davon betroffen. Dazu gehören die bedeutendsten Fastentage vor Ostern, der Totensonntag und der Heilige Abend.
Gläubigen Christen ist es ein Anliegen, diese Feiertage in Stille und Besinnung zu verbringen. Dabei ist es extrem störend, wenn in Hörweite eine ausgelassene Party gefeiert wird oder Fußballfans im Biergarten nebenan laut jedes Tor bejubeln. Es stimmt, dass das Tanzverbot dem Wunsch von Nichtchristen entgegensteht, ihren Tagesablauf uneingeschränkt selbst zu bestimmen. Umgekehrt behindert seine Abschaffung jedoch gläubige Christen darin, ihre Feiertage ungestört in dem für sie angemessenen Rahmen zu begehen. Eines von zwei berechtigten Interessen ist in jedem Falle beeinträchtigt.
Das Forum Offene Religionspolitik fordert: Jeder Bürger muss das Recht haben, seine Religion oder säkulare Weltanschauung weitestgehend ungestört auszuleben. In diesem Sinne ist es zu befürworten, dass hohe religiöse Feiertage einen besonderen Schutz genießen. Da die christlichen Kirchen nach wie vor die mit Abstand größten Religionsgemeinschaften in Deutschland sind, ist das Tanzverbot an wenigen Tagen im Jahr gerechtfertigt.
Fraglich ist, ob sich dieses Verbot auch auf Veranstaltungen in geschlossenen Räumen oder in der Disco fernab vom nächsten Wohngebiet erstrecken muss. So lange niemand beim Gebet oder Gottesdienst gestört wird, spricht nichts dagegen, dass anderswo eine Tanzveranstaltung stattfindet.
Grundsätzlich aber gilt: An mehr als 350 Tagen im Jahr darf nach Herzenslust getanzt und gefeiert werden. Es ist nicht zu viel verlangt, an wenigen Stillen Tagen aus Respekt vor der Religiosität einer Glaubensgemeinschaft darauf zu verzichten.