Interview mit Eldaring, einer heidnischen Gemeinschaft

    Herr Mang, Sie sind 1. Vorsitzender von Eldaring e.V. Wie lange gibt es Ihren Verein schon und wie kam es zu seiner Gründung?

    Die Gründung begann im Jahre 2000, offizieller Eintrag ins Vereinsregister geschah in 2002. Seit 2012 sind wir gemeinnützig. Die heidnisch-germanische Religion ist natürlich um einiges älter und hat heute nur noch wenige Anhänger. Obendrein ist vieles der alten Traditionen verloren gegangen, vergessen oder vernichtet worden, sodaß es eine umfangreiche Aufgabe darstellt, aus den noch vorhandenen Überlieferungen, dem archäologischen Befund und dem, was in späteren Zeiten in anderem Kontext in unserer Kultur weitergelebt hat, diese alten Gebräuche zu rekonstruieren oder für moderne Zeiten neu zu gestalten. Eine organisierte Gemeinschaft, die sich um die Aufrechterhaltung und Wiederbelebung der vorchristlichen Religionsformen kümmert, ist da hilfreich.

    Andreas Mang wurde 1968 geboren, ist Diplom-Physiker, in der freien Wirtschaft tätig, Verfasser des Buches „Aufgeklärtes Heidentum“ und seit 2013 1. Vorsitzender des Eldaring e.V. Der Eldaring ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Aufrechterhaltung und Wiederbelebung der einheimischen, vorchristlichen und heidnischen Religion verschrieben hat, in welcher die alten nordisch-germanischen Götter verehrt werden und die im internationalen Rahmen nach isländischem Vorbild oft „Asatru“ genannt wird.

    Die Mitglieder des Forums auf Ihrer Homepage sind sehr aktiv. Gilt dies auch jenseits des Internets für Ihre Mitglieder? Wie viele aktive Angehörige gibt es? Wie leben sie ihre Religion?

    Der Eldaring hat etwas über 200 Mitglieder. Die meisten leben in Deutschland, sind aber über das ganze Land verteilt. Es gibt einige Mitglieder in den europäischen Nachbarländern und den USA, sich oft und regelmäßig zur Gänze an einem Ort zu versammeln ist daher sehr schwierig. Das Internet ist eine wichtige und praktische Plattform, den Kontakt untereinander zu halten, weshalb Homepage, Forum, Email-Verteillisten, Facebook-Gruppen, Doodle und andere Online-Werkzeuge eine große Hilfe darstellen. Im nicht-virtuellen Leben treffen wir uns für rituelle Feierlichkeiten sowie zu geselligen Anlässen in sogenannten „Herden“, was sich vom Herd als die in früheren Zeiten zentrale Feuerstelle im Hause ableitet, welcher in dunklen und kalten Nächten Licht und Wärme spendete, als man sich um ihn herum versammelte. Um an den Feierlichkeiten (was man in der Alltagssprache „Gottesdienst“ nennen würde) teilzunehmen, muß man übrigens weder Vereinsmitglied sein noch einen genau passenden Glauben haben. Aber ernstnehmen sollte man es.

    Um zu verstehen, wie heidnische Religiosität abläuft, muß man sich erst verdeutlichen, daß der Begriff „Religion“ im Heidentum eine leicht andere Bedeutung als die allgemein bekannte hat. Die Gemeinsamkeit innerhalb der Religion erreicht man nicht über ein vorgegebenes Glaubensbekenntnis sondern über eine gemeinsame mythologische Bilderwelt und das Befolgen gemeinsamer Werte und Traditionen, besonders der heiligen Feste. Heiden mit durchaus unterschiedlichen Gottesvorstellungen, die von realen Entitäten über personifizierte Naturgewalten und Idealen zu jungianischen Archetypen reichen, können ohne Probleme dieselben Götter verehren und miteinander die rituellen Feste begehen. Für die Theologen und Kulturanthropologen: Unsere Religiosität bzw. Religion ist weit mehr primär als sekundär (nach Sundermeier und Assmann). Das alles hat den für die Allgemeinheit vielleicht etwas merkwürdigen Nebeneffekt, daß man als polytheistischer Heide nicht nur mehrere Götter haben kann, sondern auch noch solche aus mehreren Pantheons, Kulturen oder Kulten, sprich, man kann durchaus mehreren Religionen als nur einer folgen. Das ist vergleichbar mit Japanern, die sowohl Buddhisten als auch Schintoisten sind – zwei Religionen, die nach westlichem Verständnis unterschiedlicher nicht sein könnten.

    Hat Eldaring religionspolitische Ziele? Sind Sie zufrieden mit der rechtlichen und politischen Stellung Ihrer Religion in Deutschland oder sehen Sie Reformbedarf auf Seiten des Staates? Streben Sie an, dereinst mit dem Staat in ähnlicher Weise zu kooperieren wie die großen Kirchen?

    Unser Selbstverständnis besagt, daß der Verein keine parteipolitische Ausrichtung und somit auch keine direkten politischen Ziele hat. Religionspolitische Vorhaben gehören dazu. Eine Religion als solche hat in Deutschland ja keinen rechtlichen Status, das bezieht sich allenfalls auf eine Religionsgemeinschaft. Die meisten wenn nicht gar alle unserer Mitglieder lehnen die Möglichkeit von Religionsgemeinschaften, über Staatsverträge und Konkordate als Körperschaften des öffentlichen Rechts Privilegien zu erheischen, strikt ab, weil es nicht wirklich zu einer freiheitlichen und in allen Belangen gleichberechtigten Gesellschaft paßt. Wir sehen daher weder solchen Bedarf noch wäre es ehrlich, eine Änderung unserer Rechtsform anzustreben. Im übrigen widerspräche das unter Umständen der Gemeinnützigkeit unseres Vereins.

    Wir wünschen uns allerdings, daß wir die gesellschaftliche Sicht auf unsere Form der Religiosität und das damit verbundene Lebensgefühl von den ganzen Mißverständnissen und Vorurteilen befreien könnten. Ein wichtiges, in der Satzung gestecktes Ziel unseres Vereins ist daher, die Bekanntheit und Akzeptanz der heidnisch-germanischen Religion in der Öffentlichkeit herzustellen und zu fördern.

    In Deutschland haben die Nationalsozialisten germanische Symbole instrumentalisiert und in Misskredit gebracht. Inwieweit beeinflusst dies die Arbeit des Eldarings?

    Das 3. Reich war ein totalitärer Staat und hat alles instrumentalisiert, was sich in irgendeiner Form zur Propaganda und zum Machterhalt benutzen ließ, ohne eine tiefere Verbindung außer der eigenen Weltsicht dazu zu haben. Die germanische Religion sowie deren Bilderwelt und Symbolik ist um einiges älter als jede rassistische oder nationalistische Ideologie. Ihre Mythologie enthält keinerlei Aussagen zu Rassentrennung, Führertum oder rücksichtloser Durchsetzung der eigenen Staatstheorie. Leider ist wird dies heutzutage meistens übersehen, weil keiner die alten Traditionen und Geschichten mehr kennt, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert vielfach verfälscht worden sind.

    Der Eldaring duldet in seinen Innern und seinen Publikationen keinerlei politischen Extremismus oder weltanschauliche Thesen, welche unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zuwiderlaufen. Darunter zählen selbstverständlich Rassismus, Sexismus sowie diverse philosophische und okkulte Strömungen, die die altehrwürdigen Geschichten, Bilder und Zeichen mißbrauchen.

    Herr Mang, vielen Dank für das Interview.

    Dr. Sven Speer ist Vorsitzender des Forums Offene Religionspolitik (FOR) seit dessen Gründung 2011. Als Mitarbeiter und im Rahmen von Vorträgen und Gutachten berät er Regierungsorganisationen, Abgeordnete, Religionsgemeinschaften und Verbände zum Verhältnis von Staat und Religion – u.a. in Berlin, Jerusalem, Beirut, Kairo, Washington D.C., Houston und Salt Lake City. Er ist darüber hinaus Co-Founder von inteero, einer Plattform für Online-Einrichtungsberatung. Speer hat Politikwissenschaft und Geschichte studiert und am Exzellenzcluster ‚Religion und Politik‘, am German Marshall Fund of the United States und am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien zur politischen Regulierung von Religion geforscht.