Herr von Neményi, Sie arbeiten seit 30 Jahren daran, dass das Heidentum in gleicher Weise mit dem Staat kooperieren kann wie die großen christlichen Kirchen. Um welche Formen der Kooperation geht es Ihnen dabei genau?
Es geht zuerst um Gleichberechtigung. Das ist die zentrale Forderung. Damit verbunden ist die Gewährung von derselben Unterstützung, die z. B. den Kirchen zuteil wird. Das beginnt bei der Einziehung der Mitgliedsbeiträge durch den Staat, geht über Mitwirkungsrechte in Gremien wie Rundfunkräten über eine Hilfe bei der Organisation unserer Religion, unsere Feiertage, bis hin zu Staatsverträgen und finanziellen Förderungen.
Géza von Neményi wurde 1958 in Köln geboren. Scherzhaft von einigen auch als „Heidenpapst“ bezeichnet führt er den Titel Allsherjargode (Leiter des Godenrates) und überprüft das Wissen und die Eignung von Godenanwärtern unabhängig von einer jeweiligen Gruppenzugehörigkeit. Er führt auch die Einsetzung und Weihe neuer Goden im altheidnischen Ritus durch. Germanische Altheiden berufen sich darauf, den Glauben der Germanen ohne Veränderungen zu praktizieren. Dazu gehört u.a. die Verehrung von Wodan (Óðinn) und Frick (Frigg) als allerhöchste Gottheiten (ohne einen Urgott darüber anzunehmen) sowie der weiteren Götter und Göttinnen in den alten Heiligtümern unter Berücksichtigung der überlieferten Riten und Bräuche. www.allsherjargode.de
Hatten Sie mit Ihrer Forderung nach staatlicher Kooperation bereits Erfolge?
Leider nein. Wir hatten z. B. versucht, ein bestimmtes Heiligtum zur Nutzung zugewiesen zu bekommen, vergeblich. Man war nicht einmal bereit, mit uns darüber zu reden und unsere Vorschläge anzuhören.
Woran scheiterte die Anerkennung bislang?
Die Verwaltung hat bestimmte juristische Hürden aufgebaut, die nur die großen Kirchen erfüllen können, z. B. eine bestimmte Mitgliederanzahl. Wir empfinden das als zynisch, denn bekannt ist ja, daß die Heiden in der Missionierungszeit getötet wurden und ihre Religion verboten war. Nun kann man uns heutzutage nicht vorwerfen, daß wir nur wenige sind, denn wir tragen ja nicht die Schuld dafür. Hätte es die gewaltsame Missionierung nicht gegeben, wären wir viel zahlreicher.
Andererseits mußten wir mitansehen, wie es auch etwa den Zeugen Jehovas schwergemacht wurde, trotz der entsprechenden Mitgliederzahlen eine Anerkennung als „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ zu erreichen: Erst nach einer Klage hat man ihnen diesen Status gewährt. Das zeigt uns, daß es nicht um uns Heiden allein geht, sondern daß der Staat hier offenbar die großen Kirchen bewußt bevorzugt und alle anderen ihre Rechte nur durch den Weg der Klage erhalten können. Der verstorbene Dr. Jungklaaß nannte die Bundesrepublik Deutschland daher den „1. Kirchenstaat auf deutschem Boden“.
Wird Ihrer Gemeinschaft lediglich die Zusammenarbeit mit dem Staat verwehrt oder schränkt der Staat sie in Ihrer Religionsfreiheit sogar ein?
Die Ausübung unserer Religion ist z. Zt. deswegen entscheidend behindert, als uns mit Hinweis auf irgendwelche Waldgesetze das Entzünden unserer Festfeuer, die zwingend zu unserem Kult gehören, an den alten heiligen Orten untersagt wird; die Waldgesetze sehen zwar Ausnahmen vor, diese Ausnahmen werden uns aber nicht gewährt, obwohl die Ausübung der Religion ja ein Grundrecht ist, welches über irgendwelchen Waldgesetzen stehen sollte. Man würde der Katholischen Kirche auch nicht die Feier der Messe im Kölner Dom mit Hinweis auf den Denkmalschutz verbieten. Ich wollte darüber mit dem Regierenden Bürgermeister Wowereit verhandeln, doch wurde mir kein Gesprächstermin eingeräumt. Es hieß, er sei nicht zuständig, zuständig sei die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Hier kam es zwar zu einem Termin, aber nicht mit der Senatorin (Junge Reyer), sondern der Pressesprecher trug – ohne uns zur Sache anzuhören und unsere Vorschläge überhaupt zu kennen – den Standpunkt der Senatsverwaltung vor, wonach Feuer im Wald grundsätzlich nicht genehmigt werden.
Was muß sich Ihrer Meinung nach an der deutschen Religionspolitik ändern?
Wir fordern, daß das Grundgesetz auch auf dem Gebiet der Religionen endlich umgesetzt wird. Nach den schlimmen Erfahrungen im 3. Reich, wo Religionen willkürlich bevorzugt oder benachteiligt und sogar verboten wurden, wollten die Väter des Grundgesetzes eine Anerkennung von Kirchen und Religionen durch den Staat für die Zukunft ausschließen. Sie verankerten die Religionsfreiheit im Grundgesetz. Alle Religionen sollten gleichberechtigt sein. Das hat den Monopolisten (also den beiden Staatskirchen) natürlich nicht gefallen, und es wurde die Anerkennung der Religionen durch die Hintertür wieder eingeführt. Nun macht man es am rechtlichen Status fest, den man einigen Kirchen gewährt, anderen aber verweigert, indem man bestimmte, für kleine Religionsgemeinschaften unerreichbare Hürden aufbaut. Ich kann aber nicht einsehen, warum das religiöse Leben einer mitgliederstarken Kirche förderungswürdiger sein sollte, als das einer sehr kleinen Gemeinschaft. Gleichberechtigung sieht jedenfalls anders aus. Alle Religionen und Kirchen müßten dieselben rechtlichen Möglichkeiten erhalten, sich zu organisieren, unabhängig davon, wieviele Mitglieder sie haben. Eine finanzielle Förderung müßte allen gleich gewährt werden, wobei man da natürlich die Mitgliederanzahl zu Grunde legen müßte. Auch die Ausgrenzung in den Medien und Kontrollgremien ist ungerecht und sollte überwunden werden.
Herr von Neményi, ich danke Ihnen für das Gespräch.