Die Kirchen als Arbeitgeber: Auf dem Weg in die Legitimationskrise?

    von Matthias Kortmann

    Die Diözese Augsburg kündigt einer Erzieherin in einem katholischen Kindergarten während ihrer Elternzeit, nachdem diese ihre homosexuelle Lebenspartnerschaft offenbart. Eine Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sikh wird als 1-Euro-Jobberin in einem evangelischen Kindergarten in Stade als Putzkraft beschäftigt, eine Festanstellung jedoch wegen ihrer Religionszugehörigkeit verweigert. Die Leiterin eines katholischen Kindergartens in Königswinter verliert ihre Stellung, weil sie sich von ihrem Mann trennt und zu ihrem neuen Partner zieht.

    Die Kosten der christlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie werden sogar zu 98% durch alle Steuerzahler gedeckt

    Es sind diese Schlagzeilen, die den Kirchen nicht nur vermehrt negative Presse einbringen. Geschichten über die strikte Anwendung der „Glaubens- und Sittenlehre“ oder die verwehrte Anstellung Andersgläubiger wecken immer öfter grundsätzliche Zweifel an der Rolle der Kirchen als Arbeitgeber im sozialen Bereich. Dabei wird nicht selten ein Rückzug der Kirchen verlangt und gefordert, der Staat müsse ihre Aufgaben übernehmen. Dieses gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass kirchliche Träger ohnehin vorrangig durch den Staat finanziert werden. Die Kosten der christlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie werden sogar zu 98% durch alle Steuerzahler gedeckt und nicht, wie manch einer annehmen mag, durch die Kirchensteuer finanziert.

    Dennoch wäre es voreilig, im wohlfahrtsstaatlichen Bereich nach weniger freien (kirchlichen) Trägern und nach mehr Staat zu rufen. Einerseits ist es durchaus begrüßenswert, wenn gesellschaftliche Akteure staatliche Aufgaben übernehmen und den Staat – also in diesem Fall vor allem die Kommunen – dadurch entlasten. Andererseits profitiert der Staat auch finanziell. So spart er nicht nur Kosten für die Verwaltung der sozialstaatlichen Leistungen. Die Kirchen verfügen auch über die notwendigen Gebäude, um ihre Träger zu beherbergen.

    das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Grundgesetz (Art. 140) verankert

    Sollten dann nicht zumindest die Sonderrechte der Kirchen im Arbeitsrecht angetastet werden? Dieses ist schwieriger als es zunächst erscheinen mag. So ist das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Grundgesetz (Art. 140) verankert und wird durch Gerichte regelmäßig sehr weit ausgelegt. Darüber hinaus mag man den Kirchen – wie bspw. auch Arbeitgebern im Medienbereich –grundsätzlich einen gewissen Tendenzschutz zugestehen – insbesondere in der eigentlichen Kirchenorganisation.

    Wer in Deutschland im sozialen Bereich arbeiten möchte, kommt an den Kirchen kaum vorbei

    Zunehmend problematisch wird dies jedoch in den sozialen kirchlichen Einrichtungen bzw. bei den „verkündungsfernen“ Berufsgruppen. Wer in Deutschland im sozialen Bereich arbeiten möchte, kommt an den Kirchen kaum vorbei, die mit 1,3 Millionen Arbeitnehmern den zweitgrößten Arbeitgeber in Deutschland darstellen. Wer geschieden oder (offen) homosexuell ist, hat dabei vor allem in katholischen Einrichtungen schlechte Karten. Wer keiner Konfession oder einer nicht-christlichen Religion angehört – zwei in Deutschland deutlich wachsende Gruppen –, dem bleiben Stellen in den Trägern beider Kirchen meist völlig versperrt.

    Die Kirchen sollten im eigenen Interesse ihr striktes Arbeitsrecht reformieren

    Die Kirchen sollten im eigenen Interesse ihr striktes Arbeitsrecht reformieren, wollen sie nicht ihre laizistischen Kritiker weiter stärken. Diese wollen im Namen einer angeblich heilsbringenden strikten Trennung von Religion und Staat die Kirchen aus dem sozialen Bereich ganz verdrängen oder zumindest ihr Selbstbestimmungsrecht angreifen. Um ihre legitime Rolle als Arbeitgeber im sozialen Sektor zu wahren, dürfen sich die Kirchen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht versperren. Sie sollten Erscheinungsformen, die (inzwischen) zur gesellschaftlichen Normalität gehören, nicht länger als Ausschlusskriterien für die Besetzung von Stellen in ihren Einrichtungen behandeln. Vor allem so lange ihre Einrichtungen durch die Allgemeinheit finanziert werden, also auch durch Geschiedene, Homosexuelle, Muslime oder Konfessionslose, führt der Ausschluss letzterer für die Kirchen unvermeidlich in die Legimitationskrise. Wohin eine solche Krise führen kann, zeigt der oben geschilderte Fall der geschiedenen Leiterin eines katholischen Kindergartens: Nach anhaltendem Protest der Eltern entzog die Stadt Königswinter der katholischen Kirche die Trägerschaft und setzte die gekündigte Mitarbeiterin wieder ein.

    Matthias Kortmann ist Politikwissenschaftler und war stellvertretender Vorsitzender des Forums Offene Religionspolitik. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Systeme und Europäische Integration des Geschwister-Scholl-Instituts für Politische Wissenschaft (GSI) an der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU). Nach Abschluss seines Magisterstudiums (2005) und der Promotion zum Dr. Phil. (2010) an der Universität Münster war er am Institute for Migration and Ethnic Studies (IMES) der Universiteit van Amsterdam (2011-2012) sowie an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam (2012-2013) tätig. Seine Forschungsschwerpunkte mit Bezug zur Religionspolitik liegen auf der Integration des Islam in christlich geprägten Gesellschaften sowie religiösen Organisationen als Interessengruppen.