Die Deutsche Islam Konferenz in der Sackgasse

    Ohne Zweifel war die Einberufung der DIK im Herbst 2006 ein wichtiger Schritt. Erstmals zeigte der Staat die Bereitschaft, auf höchster Ebene mit Vertretern des Islam zu sprechen. Damit beförderte er die Zugehörigkeit der zweitgrößten Religion in Deutschland in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit. Den Muslimen und ihren Verbänden wurde eine Aufwertung in Aussicht gestellt und damit die Basis für ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis geschaffen.

    Ziel der DIK war es dem Innenministerium zufolge, „mit Bund, Ländern und Kommunen im Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Muslime in Deutschland Wege zu einer besseren religionsrechtlichen und gesellschaftlichen Integration aufzuzeigen und – wo möglich – auch zu beschreiten“. Diesen Ansprüchen ist die DIK bisher jedoch nicht gerecht geworden. Verantwortlich hierfür sind sowohl strukturelle Defizite als auch inhaltliche Mängel, die das Gremium von Beginn an belastet haben.

    Problematisch ist zunächst, dass der Bund für die grundsätzlichen Angelegenheiten des Religionsverfassungsrechts nicht die vorrangig zuständige Ebene ist. Das Verhältnis des Staates zu den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften inklusive der Frage der Anerkennung wird stattdessen durch die Bundesländer geregelt. Diese sind zwar durch drei Vertreter auf der DIK repräsentiert, ihr religionspolitisches Gewicht spiegelt sich hier jedoch keinesfalls wider.

    Fragwürdig ist weiterhin die Auswahl der muslimischen Vertreter durch das Innenministerium. Neben Repräsentanten der fünf mitgliederstärksten Verbände wurden zehn „nicht-organisierte“ Muslime eingeladen. Durch ihre Teilnahme soll die Bandbreite muslimischen Lebens in Deutschland besser abgebildet werden. Hintergrund sind Berechnungen, nach denen maximal ein Drittel der Muslime in Deutschland Mitglied eines der fünf großen Verbände ist. Der religionsverfassungsrechtlichen Maßgabe einer Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen steht eine solche Praxis jedoch im Wege. Problematisch ist außerdem, dass vor allem säkulare oder islamkritische Muslime als nicht-organisierte Teilnehmer eingeladen wurden. Ganz offen sollen diese dabei nach dem Willen des Innenministeriums ein Gegengewicht zu den als zu konservativ wahrgenommenen Verbänden bilden. Diese inhaltliche Einmischung steht jedoch ebenfalls im Widerspruch zum Religionsverfassungsrecht, welches die weltanschauliche Neutralität des Staates verlangt.

    Auch inhaltlich konnte das Gremium die Erwartungen bisher nicht erfüllen. Kritisiert wurde bereits zu Beginn eine rasche Verengung auf Sicherheitsthemen, die unter dem aktuellen Innenminister Friedrich noch weiter zugenommen hat. Und selbst bei dieser Thematik hat die DIK inzwischen Konkurrenz: So hat Friedrich kürzlich parallel einen „Präventionsgipfel“ eingerichtet, auf dem mit Vertretern von muslimischen Verbänden und Moscheegemeinden über die frühzeitige Identifizierung von Islamisten gesprochen werden soll. Gleichzeitig stößt die Debatte über religionsrechtliche Fragen wie den islamischen Religionsunterricht immer wieder an die Zuständigkeitsgrenzen der Bundesebene. Die Ministerien auf Bundesebene können hier allenfalls Impulse aussenden. Sowohl in Bezug auf religions- als auch sicherheitspolitische Themen stellt sich also die Frage, wozu es die DIK noch braucht.

    Die Deutsche Islam Konferenz sollte in dieser Form nicht fortgeführt werden. Gremien dieser Art gehören stattdessen auf die Ebene der Bundesländer. Nur dort kann eine religionsrechtliche Integration des Islam ernsthaft verfolgt werden. Und nur dort können tatsächlich Entscheidungen getroffen werden, die den Weg ebnen zu einem islamischen Religionsunterricht nach Art. 7 GG sowie zur Anerkennung islamischer Verbände als Körperschaften nach Art. 140 GG.

    Der DIK kommt das Verdienst zu, dem Dialog zwischen Staat und Islam neuen Antrieb verliehen zu haben. An ihren inhaltlichen, insbesondere religionspolitischen Ansprüchen muss sie jedoch in ihrer jetzigen Form scheitern.

    Prof. Dr. Matthias Kortmann
    Matthias Kortmann ist Politikwissenschaftler und war stellvertretender Vorsitzender des Forums Offene Religionspolitik. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Systeme und Europäische Integration des Geschwister-Scholl-Instituts für Politische Wissenschaft (GSI) an der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU). Nach Abschluss seines Magisterstudiums (2005) und der Promotion zum Dr. Phil. (2010) an der Universität Münster war er am Institute for Migration and Ethnic Studies (IMES) der Universiteit van Amsterdam (2011-2012) sowie an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam (2012-2013) tätig. Seine Forschungsschwerpunkte mit Bezug zur Religionspolitik liegen auf der Integration des Islam in christlich geprägten Gesellschaften sowie religiösen Organisationen als Interessengruppen.