Darf man gegen einen islamischen Feiertag sein?

    von Sven W. Speer

    Deutschland diskutiert die Frage, ob es einen islamischen Feiertag geben soll oder nicht. Die einen fordern einen ebensolchen als „ein wichtiges Signal an die muslimische Bevölkerung“ wie Kenan Kolat, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die anderen entgegnen: „Stoppt diesen Wahnsinn“, wie die AfD Magdeburg. Wichtiges Signal oder Wahnsinn? Darf man gegen einen islamischen Feiertag sein? Ich denke: Ja.

    Zuerst einmal muss man den islamischen Feiertag als das sehen, was er ist: Eine der wenigen Möglichkeiten, bei denen der Bund tatsächlich religionspolitisch gestalten kann. Dies kann er weder beim Religionsunterricht, noch bei der Theologie, dem Schwimmunterricht, dem Kopftuchverbot, dem Körperschaftsstatus usw. Für die Integration ist ein Feiertag indes so überflüssig wie ein Kropf: Auch wenn das katholische Arbeitermädchen vom Lande heute nicht mehr als zu integrierender Problemfall gilt: Dass Katholiken in Deutschland mehr Feiertage haben als Evangelische, hat zu ihrem Integrationserfolg wohl kaum beigetragen.

    Auch wenn das Interesse an einem Symbol (und das oftmals wohl rein symbolische Interesse) an einem islamischen Feiertag groß ist, so müssen doch auch die realen Kosten eingerechnet werden. So schätzt die Deutsche Bundesbank, dass jeder Feiertag unser Bruttoinlandsprodukt um eine Milliarde Euro schmälert. Geld ist nicht alles, aber wir sollten im Hinterkopf behalten, dass mitunter auch Symbole teuer sein sind. Diesen Kosten müssen wir den Nutzen gegenüberstellen. Bereits jetzt steht es jedem Muslim frei, sich für die islamischen Feiertage Urlaub zu nehmen. Die Verträge von islamischen Gemeinschaften mit Hamburg und Bremen haben dies sogar auf eine breitere rechtliche Grundlage gestellt. Das ist zu begrüßen. Den Mehrwert – jenseits der Symbolik – für Muslime sehe daher ich nicht.

    Freilich hat Deutschland im internationalen Vergleich wenige Feiertage, so dass sich auch Nichtmuslime über den Feiertag freuen werden. Nichtsdestotrotz kommt der Feiertag in erster Linie Muslimen zugute. Bekanntlich unterscheide ich nicht zwischen „Wir Deutsche“ und „Die Muslime“, sondern schaue danach, wie viele Deutsche Muslime sind: Knapp 2,5 Prozent können dafür wohl angesetzt werden. Ein Feiertag für 2,5 Prozent der Deutschen? Die Anspruchsgrundlage für einen bundesweiten Feiertag ist nicht gerade groß.

    Alternativ können und sollten aber die Bundesländer über die Einführung islamischer Feiertage diskutieren. Denn in Brandenburg ist ein islamischer Feiertag so unangemessen wie der katholische Feiertag Allerheiligen. Beide Religionsgemeinschaften sind in Brandenburg so gut wie nicht vertreten – auch wenn der katholische Anteil von etwa 3 Prozent auf der Höhe des Anteils von Muslimen unter Deutschen ist (und in den Augen mancher damit für einen bundeseinheitlichen Feiertag ausreicht). Auch innerhalb eines Bundeslandes müsste ein islamischer Feiertag nicht flächendeckend gelten. In Niedersachsen beispielsweise ist Allerheiligen in all jenen Kreisen ein Feiertag, in denen mindestens 40 Prozent der Bevölkerung Katholiken sind. Über die nötige Höhe für einen Feiertag wird man diskutieren müssen – aber eine Lösung, die der Gesellschaft vor Ort Rechnung trägt, ist einer Symbolpolitik von oben vorzuziehen.

    Wenn sich die Deutsche Islam Konferenz trotz der neuen religionspolitischen Ausrichtung in symbolischen Diskussionen verfängt, ist es höchste Zeit, sie durch eine Deutsche Konferenz für Religion und Weltanschauung abzulösen. Dies würde auch der religionspolitischen Anerkennung des Islam neuen Auftrieb verleihen.

    Dr. Sven Speer ist Vorsitzender des Forums Offene Religionspolitik (FOR) seit dessen Gründung 2011. Als Mitarbeiter und im Rahmen von Vorträgen und Gutachten berät er Regierungsorganisationen, Abgeordnete, Religionsgemeinschaften und Verbände zum Verhältnis von Staat und Religion – u.a. in Berlin, Jerusalem, Beirut, Kairo, Washington D.C., Houston und Salt Lake City. Er ist darüber hinaus Co-Founder von inteero, einer Plattform für Online-Einrichtungsberatung. Speer hat Politikwissenschaft und Geschichte studiert und am Exzellenzcluster ‚Religion und Politik‘, am German Marshall Fund of the United States und am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien zur politischen Regulierung von Religion geforscht.